Galaxien-Overlays

Galaxien sind aufgrund ihrer sehr diversen astrophysikalischen Prozesse und den daraus resultierenden Strahlungsmechanismen praktisch im gesamten elektromagnetischen Spektrum sichtbar, von Radiowellen bis zur Gammastrahlung. Hier werden nun Overlays von Messungen in anderen Wellenlängen- oder Spektralbereichen auf die optischen Aufnahmen gezeigt: Radiokontinuum, Magnetfelder, neutraler Wasserstoff (HI), Kohlenmonoxyd (CO), Röntgenstrahlung. Diese wurden mit den verschiedensten Teleskopen gewonnen und so aufbereitet, dass sie genau auf die optischen Bilder passen. Die Overlays wurden mit verschiedenen Methoden (Konturen, Falschfarben) erzeugt. Im Fall der HI- und CO-Spektrallinien können auch die Geschwindigkeiten dieser Gaskomponenten farblich kodiert über die optischen Aufnahmen gelegt werden. Sie werden über den Dopplereffekt (Verschiebung der Spektrallinien) gemessen und in farbigen Konturen dargestellt. Man kann dann die Rotation der Galaxien ablesen: rot eingefärbte Konturen zeigen Gebiete, die sich von uns wegbewegen, blaue solche, die auf uns zukommen. Damit nicht genug: noch plastischer sieht man die Kinematik der Galaxien mithilfe von Videofilmen dieser Geschwindigkeiten, welche den optischen Bildern überlagert werden können. Wer noch viele weitere interessante Overlays betrachten oder für Vorträge benutzen möchte, dem sei ein umfangreiches Powerpoint-Dokument empfohlen (ca. 1 GB, mit Erläuterungen in englischer Sprache), dessen Zugangsdaten ich auf Anfrage bereitstellen kann (uklein@astro.uni-bonn.de). Ein allgemeinverständlicher Artikel mit Erläuterungen zur relevanten Astrophysik sowie Hinweisen zur Erstellung solcher Overlays ist in Sterne und Weltraum Heft 07 / 2020 erschienen.

NGC 5457 (M 101) opt. + HI (gelbe Farbe).


Ein spektakuläres Beispiel für die Verteilung und Kinematik des neutralen, atomaren Wasserstoffs (HI) in Galaxien ist die Spiralgalaxie M 101. Diese Galaxie, welche von zahlreichen Zwerggalaxien umgeben ist, zeigt deren gravitative Wechselwirkung ziemlich deutlich. Die Spiralstruktur ist recht irregulär und durch eine Reihe von Aufspaltungen und Verästelungen gekennzeichnet.

NGC 5457 (M 101) opt. + HI-Geschwindigkeit (farb. Kont.).


Man erkennt hier schön die Rotation der Galaxie: blau eingefärbte Bereiche bewegen sich auf uns zu, rot eingefärbte Bereiche von uns weg.

NGC 628 (M 74) opt. + HI (gelbe Konturen).

Hier ein Beispiel für die teils enorme Ausdehnung der Gasscheiben von Galaxien. In diesem Fall beträgt sie das ca. Vierfache der stellaren Scheibe. Aus diesem riesigen Gasreservoir können sich noch über viele Milliarden Jahre Sterne aus dem Gas bilden.

NGC 628 (M 74) opt. + HI-Geschwindigkeiten (farb. Kont.).


Die Galaxie rotiert im Norden auf uns zu und im Süden von uns weg.

Rechts kann ein Video heruntergeladen werden, in welchem man die HI-Geschwindigkeiten über dem optischen Bild der Galaxie von Blau nach Rot ablaufen sieht. Man sieht auch hier die enorme Ausdehnung der Gasscheibe dieser Galaxie.

NGC 4565 opt. + HI (gelbe Konturen).


Man erkennt hier, daß auch hier die Gasscheibe über die stellare Scheibe hinausragt. Sie zeigt jedoch außerhalb der stellaren Scheibe eine Verwölbung, welche ihr in dieser exakten Seitenansicht die Form eines mathematischen Integralzeichens verleiht. Zwei kleine Nachbargalaxien sind ebenfalls im HI sichtbar.

NGC 4565 opt. + HI-Geschwindigkeiten (farb. Konturen).

Die Verwölbung der Gasscheibe ist auch in dieser Darstellung klar zu erkennen. Auch die kleinen Nachbargalaxien zeigen Rotation.

M 31 opt. + CO (gelbe Konturen)

Overlay des Kohlenmonoxyd-Moleküls (CO), welches mit dem 30-m-Radioteleskop auf dem Pico Veleta (Sierra Nevada, Spanien) bei einer Wellenlänge von 2.6 mm (Frequenz: 115 GHz) gemessen wurde und hier in gelber Farbe dem optischen Bild von M 31, aufgenommen mit dem APO-Refraktor, überlagert wurde. Man sieht gut die Spiralstruktur und die dunklen Staubzonen entlang dieser Spiralarme. Dort wird das interstellare Gas durch Dichtewellen, die in der Galaxienscheibe umlaufen, komprimiert. Aus den dabei entstehenden Molekülwolken bilden sich neue Sterne, welche die hellen Spiralarme markieren. Man sieht, wie genau die Verteilung des molekularen Gases den Staubstreifen folgt!

M 31 opt. + CO-Geschwindigkeiten (farbige Konturen).

Wie oben: blau eingefärbte Bereiche bewegen sich auf uns zu, rot eingefärbte Bereiche von uns weg. Unten kann ein Video heruntergeladen werden, in welchem man die Geschwindigkeiten des CO-Gases über dem optischen Bild der Galaxie von Blau nach Rot ablaufen sieht. Man sieht auch hier, wie präzise die Verteilung des molekularen Gases den Staubzonen folgt.

Und hier dann noch einmal die Überlagerung des optischen Bildes, aufgenommen mit dem Skywatcher 190mm f/5,3 - Maksutov/Newton-Teleskop, mit der Strahlung des CO-Moleküls in gelber Farbe. In dieser Aufnahme mit der größeren Brennweite sieht man die Staubstreifen und die Übereinstimmung mit der Verteilung des CO-Moleküls sehr detailliert.

NGC5194/95 (M 51) opt. + Magnetfelder (gelbe Striche).

Die Magnetfeldstruktur kann aus Beobachtungen der polarisierten Komponente der Synchrotronstrahlung abgeleitet werden. Die dabei resultierenden Magnetfeldstrukturen erklärt man über den galaktischen Dynamo. Hierbei wird in einem komplizierten magneto-hydrodynamischen Prozeß kinetische Energie in magnetische umgesetzt. Dabei helfen die differentielle Rotation der Galaxien sowie die durch die Supernova-Aktivität verursachten vertikalen Strömungen aus der Scheibe heraus.

NGC 891 opt. + Magnetfelder (gelbe Striche).

Die Magnetfeldstruktur verläuft nahe zur galaktischen Scheibe ungefähr parallel zu ihr, oberhalb und unterhalb der Scheibe biegt das Magnetfeld mit wachsendem radialen Abstand von ihr weg.

NGC 253 opt. + weiche Röntgenstrahlung.


NGC 253 opt. + weiche Röntgenstrahlung.


Man sieht, wie weit das heiße, Röntgenstrahlung emittierende Gas aus der Galaxienscheibe hinausreicht. Auffällig ist eine Einschnürung der Gasblase direkt nordwestlich entlang der Scheibe. Diese rührt daher, daß die schweren Elemente (vor allem Sauerstoff), die im interstellaren Gas enthalten sind, die Röntgenstrahlung dort absorbieren. Aus der Lage dieser Absorptionszone kann man nun die Orientierung der Galaxie eindeutig erschließen: wir sehen sie 'von unten'! Würden wir 'von oben' draufschauen, dann läge die Absorptionszone im Südwesten unterhalb der Scheibe.

NGC 4486 (M 87) opt. + Radiokontinuum (gelbe Farbe).

Das Bild des Radiokontinuums bei 327 MHz zeigt die Synchrotronstrahlung, die von den relativistischen Elektronen erzeugt wird. Das Bild hat einen sehr hohen Dynamikbereich und zeigt daher verschiedenste Strukturen, die in mehreren Epochen erzeugt wurden. Die älteste erstreckt sich (in der Projektion) über ca. 250000 Lichtjahre und besitzt einen wohldefinierten äußeren Rand. Dies wird durch Magnetfelder bewirkt, welche die Bildung von sogenannten Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten und somit ein 'Ausfransen' verhindern. Eine jüngere Struktur zeigt etwa 30000 bis 40000 Lichtjahre östlich und westlich des aktiven Zentrums der Galaxie blasenartige Strukturen. Die jüngste Aktivität des zentralen, supermassiven Schwarzen Lochs erzeugt die innerste, sehr helle (und etwa dreieckige) Struktur.

NGC 3034 (M 82) opt. + weiche Röntgenstrahlung (links).

Auch hier reicht das sehr heiße Gas (10 Millionen K) weit aus der Galaxienscheibe hinaus. Nordwestlich der Galaxie erkennt man sogar eine heiße Stoßfront ('polar cap' genannt). Sie hat in der Projektion einen Abstand von ca. 30000 Lichtjahren vom Zentrum von M 82. So weit ist das heiße Gas bereits aus der Galaxie hinausgetrieben worden!

NGC 891: Radiokontinuum (oben links, hauptsächlich Synchrotronstrahlung), neutraler atomarer Wasserstoff (oben rechts), weiche Röntgenstrahlung (0.4 - 1.3 keV, unten links) und CO(1-0)-Linie (unten rechts). Man beachte die unterschiedlichen Formen und Dicken dieser Komponenten des interstellaren Mediums. Das heiße Gas, welches man im Röntgenbereich sieht, bildet einen nahezu sphärischen Halo, während sich das ganz kalte Gas, durch die CO-Linienstrahlung repräsentiert, in einer extrem dünnen Scheibe findet.
NGC4631-Gruppe optisch.


NGC4631 (oben Mitte), NGC4627 (direkt darüber) und NGC4656 (unten links), sind drei gravitativ wechselwirkende Galaxien, die sich über einen Zeitraum von ein paar Milliarden Jahren umkreisen. Dabei wird der Einfluß der Wechselwirkung in den beiden großen Galaxien sichtbar. NGC4656 ist stark 'verbogen', Die massivste Galaxie, NGC4631, weist eine überaus hohe Sternentstehungsrate auf, was letztlich auch für ihre auffällig blaue Farbe verantwortlich ist. Die kleine elliptische Galaxie NGC 4627 erscheint strukturlos, weil sie keine neue Sternentstehung mehr hat. Ihr interstellares Gas ist nahezu komplett in Sterne umgesetzt worden.

NGC4631-Gruppe opt. + HI (gelbe Konturen).

Zu sehen ist hier die Verteilung des neutralen atomaren Wasserstoffs (der sog. HI-Linie bei 21 cm Wellenlänge) in der Galaxiengruppe um NGC 4631. Die gelben Konturlinien im ersten Bild geben die HI-Säulendichte an. Diese reichen von etwa 5x10^19 bis etwa 10^23 Atome pro Quadratzentimeter.

NGC4631-Galaxiengruppe opt. (s/w-Negativ)


In dieser Darstellung erkennt man auch noch sehr schwach leuchtende Strukturen.


Oben rechts kann ein Video heruntergeladen werden, in welchem man die HI-Geschwindigkeiten über dem optischen Bild der Galaxie von Blau nach Rot ablaufen sieht. Man sieht, daß die beiden Galaxien gegeneinander rotieren. Außerdem erkennt man die komplexe Kinematik des intergalaktischen Gases, welches aufgrund der starken Gezeitenkräfte aus NGC 4631 herausgerissen wurde.

Dasselbe opt. + HI-Geschwindigkeiten (farbige Konturen).

In diesem Bild zeigen die farbigen Konturen die Geschwindigkeit des Wasserstoffgases an, gemessen über den Dopplereffekt der 21-cm-Linie. Die roten Bereiche bewegen sich mit ca. 130 km/s von uns weg, die blauen mit ca. 130 km/s auf uns zu. Man erkennt sofort die Rotation der beiden Galaxienscheiben von NGC 4631 (oben) und NGC 4656 (unten links) sowie die komplexe Kinematik des Gases, welches durch die Gezeitenwirkung der Gravitation in den intergalaktischen Raum hinausgerissen wurde. Die elliptische Galaxie NGC 4627 (oberhalb von NGC 4631) besitzt kein neutrales Gas und ist deshalb im HI unsichtbar.

Die M81-Gruppe

Die 'Viererbande': Die Galaxiengruppe um die große Spiralgalaxie M81, die ich hier alle auf ein Foto bekommen habe. M81 (oberhalb der Bildmitte), M82 (ganz oben), NGC3077 (links) und NGC2976 (unten rechts). Im ersten Bild links das optische Foto, aufgenommen mit Skywatcher Evostar 72 (f = 420 mm, D = 72 mm) und Canon EOS 1100Da. In der Mitte mit Überlagerung des atomaren, neutralen Wasserstoffs (des häufigsten Elements im Universum), aufgenommen bei 21 cm Wellenlänge von Erwin de Blok und Fabian Walter mit dem VLA in New Mexico (gelbe Farbe). Rechts sind die Geschwindigkeiten relativ zur Erde in Form von farbigen Konturen dargestellt: rot umrandete Gebiete bewegen sich mit ca. 170 km/s von uns weg, blau umrandete mit ca. 240 km/s auf uns zu. Man sieht, daß die gegenseitige gravitative Wechselwirkung der Galaxien bei ihrem 'Tanz' umeinander sehr viel Gas aus diesen herausgerissen hat, welches sich im intergalaktischen Raum verteilt hat. Auch die Galaxienrotation ist gut zu erkennen, vor allem bei M81. Eine Umdrehung dauert ca. 200 Millionen Jahre. Die Bewegung der Galaxien umeinander dauert einige Milliarden Jahre.

Das zweite Bild enthält dieselbe Darstellung, wobei das optische Foto hier mit einem Maksutov-Newton-Teleskop (f = 1000 mm, D = 190 mm) aufgenommen wurde, und zwar ebenfalls mit einer Canon EOS 1100Da. Die beiden Teleskope werden auf einer Montierung der Himmelsdrehung präzise nachgeführt, die beiden Kameras dabei simultan angesteuert.

NGC 4631 weist eine sehr hohe Sternentstehungsrate auf, was letztlich auch für ihre auffällig blaue Farbe verantwortlich ist. Auffällig sind viele Staubstrukturen, die  auch vertikal aus der Scheibe herausragen. Dieses Material wird durch Supernova-Explosionen und stellare Winde, die bei diesem 'Starburst' in der Scheibe produziert werden, senkrecht nach oben und unten aus der Scheibe hinaus gedrückt. Die kleine elliptische Galaxie NGC 4627 erscheint strukturlos, weil sie keine neue Sternentstehung mehr hat. Ihr interstellares Gas ist nahezu komplett in Sterne umgesetzt worden.

In diesem Overlay deuten die gelben Striche die Magnetfeldstruktur der Galaxie an. Diese wurde aus Messungen der Radiokontinuumsstrahlung mit dem 100-m-Radioteleskop in Effelsberg bei 3 cm Wellenlänge (Mora & Krause) erschlossen. Man erkennt, daß das Magnetfeld aus der Scheibe in den Halobereich der Galaxie hinaus verläuft. Das hat auch mit der starken Sternentstehungsaktivität und der daraus resultierenden Supernovarate zu tun. Dadurch entsteht ein hoher Druck in der Galaxienscheibe, wodurch Materie in den Halo transportiert wird. Dabei wird das Magnetfeld auch mitgerissen. Seine Grundstruktur erhält es durch einn elektromagnetischen Prozeß, den sogenannten galaktischen Dynamo.

NGC 4258 alias M 106 ist keine normale Galaxie. Was man ihr auf den ersten Blick nicht ansieht, ist, daß in ihrem Zentrum ein supermassives Schwarzes Loch herumlungert. Das zeigte sich schon früh im Radiofrequenzbereich, als sich M 106 als überaus starker Radiostrahler erwies. Aus dem Zentrum der Galaxie stoßen zwei Jets mit hochenergetischen Teilchen (Elektronen und Protonen) durch das interstellare Medium und regen es zum Leuchten an, sodaß man die Wirkung auch in der Hα-Linie und im Röntgenbereich sieht. Man fand ebenfalls recht früh eine Anzahl von Wassermasern, deren schnelle Bewegung in einem sehr kleinen Bereich um das massive zentrale Objekt nur einen Schluß zuließ: eben ein supermassives Schwarzes Loch. In der hier gezeigten Fotomontage der Galaxie habe ich im linken Bild eine Abbildung der Synchrotronstrahlung überlagert (gelbe Färbung), welche mit dem Very Large Array (VLA) in New Mexico gemessen wurde. Im rechten Bild ist in bläulicher Farbe die Röntgenstrahlung, gemessen mit dem Chandra-Weltraumobservatorium, meiner optischen Aufnahme überlagert. Man sieht, wie sich die Jets durch das interstellare Medium der Galaxie mühen. Der nordwestliche Jet tritt, von uns aus gesehen, hinter der Galaxienscheibe aus dieser heraus, der südöstliche vor der Scheibe. Dabei werden diese Jets auch abgelenkt und aufgespalten. Sie erhitzen das Gas im interstellaren Medium auf einige Millionen K, was zur Röntgenstrahlung führt.

NGC 4826 (M 64) ist schon auf den ersten Blick eine sehr auffällige Galaxie: nahe an ihrem Zentrum sticht eine bogenförmige, dunkle Staubstruktur ins Auge (Staub in Galaxien besteht aus Silikaten und Graphiten). Sieht man sich die Bewegungsverhältnisse in diesem Bereich der Galaxie an, so gibt es eine Überraschung: im Zentrum von NGC 4826 gibt es eine Gegenrotation, d.h. das Gas rotiert dort gegenläufig zum äußeren Bereich um das galaktische Zentrum! Für solch ein Szenarium gibt es nur eine plausible Erklärung: diese Galaxie hat eine andere (kleinere) 'verschluckt'. Diese etwas 'trockene Mahlzeit' (die einverleibte Zwerggalaxie besaß wohl viel Staub und Gas) dauert insgesamt einige Milliarden Jahre.

Zu sehen ist hier links das optische Bild von NGC 4826. Im rechten Bild wurden der optischen Aufnahme Konturlinien überlagert, welche die Geschwindigkeiten des neutralen atomaren Wasserstoffs zeigen, gemessen mit dem VLA. Die Farben deuten die Geschwindigkeiten an: Gebiete mit roten Konturen bewegen sich von uns weg, solche mit blauen Konturen auf uns zu. Deutlich sieht man, daß sich die Drehrichtung des Gases in NGC 4826 zum Zentrum hin umkehrt. In diesem Bereich schießen die Gasströmungen mit relativen Geschwindigkeiten von über 200 km/s (!) aneinander vorbei. Das muß eine Wirkung haben: das so aufgewühlte Gas wird sehr turbulent und führt zu starker Sternentstehung.

Die Ausdehnung und Orientierung der Gasscheibe der Zwerggalaxie NGC 6822 ist eine Überraschung! Ihre Ausdehnung von insgesamt 30000 Lichtjahren ist beinahe vergleichbar mit der Größe unserer Milchstraße. Nimmt man zunächst an, daß die balkenförimige Struktur im visuellen Bereich die Hauptchase darstellt, so zeigt sich in der 21-cm-Strahlung des neutralen atomaren Wasserstoffs, daß die Hauptachse tatsächlich um ca. 120° gegenüber der Balkenstruktur geneigt ist. Das Gasreservoir der Galaxie ist immens - es reicht noch für die Entstehung neuer Sterne über Jahrmilliarden.

Unten kann man ein Video herunterladen, welches die HI-Geschwindigkeiten zeigt, wie sie über die Galaxie von niedrigen (auf uns zu) zu hohen (von uns weg) Geschwindigkeiten hinweglaufen

Das Zentrum des Virgohaufens

Das Zentrum des Virgohaufens

(Bilder anclicken!)

Zu sehen sind hier mehrere Overlays auf meine optische Aufnahme eines Felds nahe am Zentrum des Virgohaufens. Zunächst ist in der obersten Reihe das Originalbild zu sehen, daneben rechts ein s/w-Negativ dieses Bildes, versehen mit Hinweisen auf die in diesem Feld sichtbaren Galaxien.

Die mittlere Reihe zeigt dieses Feld mit Overlays des Radiokontinuums (links) und des atomaren neutralen Wasserstoffs (rechts). Es zeigen sich hierbei ganz unterschiedliche Eigenschaften. Während manche Galaxien im Radiokontinuum (hauptsächlich) Synchrotronstrahlung emittieren, weisen andere starke Emission in der 21-cm-Linie des neutralen Wasserstoffs (HI) auf. Ein starkes Radiokontinuum zeigt eine starke Sternentstehung an, weil diese auch Supernova-Explosionen hervorruft, welche dann die relativistischen Teilchen erzeugen, die in den Magnetfeldern der Galaxien Synchrotronstrahlung emittieren. Eine Ausnahme ist NGC 4374 (M 84). Hier rührt die Synchrotronstrahlung von zwei Jets mit hoch energetischen Elektronen her, die aus der Umgebung eines supermassiven Schwarzen Lochs ausgestoßen werden und am Rand dieser elliptischen Galaxie riesige Blasen mit relativistischem Gas bilden. Manche Galaxien besitzen kein neutrales Wasserstoffgas, sondern nur heißes, welches im Röntgenbereich sichtbar ist (s.u.). In diesem Fall wurde das Gas nahezu komplett in Sterne umgesetzt. Die kleineren Galaxien ohne neutralen Wasserstoff haben diesen an die Umgebung verloren, weil beim Durchtauchen des Zentrums des Virgohaufens ein sehr starker Staudruck aufgrund des dort stärker angesammelten, dünn verteilten intergalaktischen Gases wirkt. 

Die untere Reihe zeigt den Overlay der weichen Röntgenstrahlung in Form von blauen Konturen (links) und in gelber Farbe (rechts). Deutlich sieht man die Dominanz des heißen (ca. 10 Millionen K) Gases in der Galaxie NGC 4406 (M 86) und deren Umgebung. Sie rauscht aus einer Richtung von hinten und oben rechts ins Zentrum des Galaxienhaufens hinein und heizt dabei das sie umgebende Gas kräftig auf. NGC 4374 (M 84) besitzt dagegen wenig heißes Gas. Die hier sichtbaren Spiral- oder Scheibengalaxien zeigen mehr oder weniger starke Röntgenemission, besitzen also ebenfalls heißes Gas.

Der Perseus-Galaxienhaufen

Der Perseus-Galaxienhaufen wurde auch vielfach im Radiofrequenzbereich untersucht. Eine Studie von Dr. Marie-Lou Gendron-Marsolais widmet sich der Untersuchung der Synchrotronstrahlung der Galaxien in diesem Haufen. Die Synchrotronstrahlung entsteht durch die Bewegung relativistischer Elektronen in einem Magnetfeld. Die Energie der Elektronen, die sich durch den Perseus-Haufen bewegen, beträgt ungefähr 10 GeV, die Magnetfeldstärke beträgt einige μG. Das Bild zeigt einen Overlay der Radiostrahlung des Perseushaufens bei 85 cm Wellenlänge, beobachtet mit dem VLA in New Mexico (USA). Auffällig sind sofort zwei Strukturen, nämlich eine ausgedehnte Halostruktur im Südosten, zentriert auf die Galaxie NGC 1275 (3C84) sowie eine sogenannte Kopf-Schwanz-Struktur im Norden, zentriert auf die Galaxie NGC 1265 (3C83.1). Letztere resultiert aus der schnellen Bewegung der Galaxie relativ zum umgebenden Gas des Galaxienhaufens. Im Zentrum der Galaxie erzeugt ein supermassives Schwarzes Loch in seiner Umgebung die ultraschnellen Teilchen, die in Form von diametralen Jets aus der Galaxie geschleudert werden. Sobald diese die schützende Umgebung der Galaxie verlassen, 'spüren sie den Fahrtwind' und werden dadurch schnell abgelenkt; dabei hinterlassen sie eine Spur, die uns die Bewegung der Galaxie sozusagen auf den Himmel malt. Man sieht noch zwei weitere sog. Kopf-Schwanz-Radiogalaxien, die mit hoher Geschwindigkeit durch den Galaxienhaufen rasen.

Die Radiostrahlung um die Galaxie NGC 1275 herum resultiert ebenfalls aus der Produktion relativistischer Elektronen in der Umgebung eines supermassiven schwarzen Lochs im Zentrum dieser Galaxie. Da das umgebende Gas des Galaxienhaufens dort wesentlich dichter ist, werden die Jets schon sehr bald gebremst und schaffen es nicht nach draußen in das dünnere Medium, so wie bei NGC 1265. Sie bilden daher eine ausgedehnte Struktur, die von den Astrophysikern als 'Halo' bezeichnet wird.

Die Kopf-Schwanz-Radiogalaxien NGC1265 (links) und IC310 (oben), die sich mit hoher Geschwindigkeit durch das intergalaktische Gas des Perseus-Haufens bewegen und dabei Synchrotronstrahlung emittierende Schweife relativistischer Teilchen hinter sich herziehen.

Die vom aktiven Zentrum der Galaxie NGC1275 (links) ausgestoßenen Jets relativistischer Teilchen schaffen es aufgrund der höheren Gasdichte im Zentrum des Perseushaufens nicht 'nach draußen', woduch eine S-förmige Struktur von Radiostrahlung entsteht, ähnlich wie im Fall der aktiven Galaxie M87 im Virgo-Galaxienhaufen. NGC1272 (rechts) zeigt ebenfalls einen räumlich begrenzten Jet an.

Im Röntgenbereich zeigt der Perseus-Haufen einen hellen Halo heißen (100 Millionen K) Gases, dessen Zentrum mit NGC 1275 koinzidiert und der sich bis jenseits von 200 kpc ausdehnt. Dieses Gas ist ein Relikt der Merging-Epoche, während der eine Vielzahl von Supernovae Gas aus den Galaxien in den sie umgebenden intergalaktischen Raum warf. Die Aufheizung des Gases geschah dann durch Kompression, durch die Bewegung der Galaxien sowie durch die Aktivität der AGN.